Ulcus cruris venosum

Das offene Bein heisst in der Fachsprache Ulcus cruris venosum. Dabei handelt es sich genau genommen um das letzte Stadium der chronischen venösen Insuffizienz. Die schlechte Durchblutung führt zum Absterben von Gewebe und verhindert eine Heilung der Wunde. Erfahren Sie hier mehr über die chronische venöse Insuffizienz, das offene Bein und seine Behandlung.

Die chronische venöse Insuffizienz

Die Stadien der chronisch venösen Insuffizienz bis zum floriden Ulcus
Die Stadien der CVI (Quelle urgo.com)

Die Blutgefässe können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden. Die Arterien führen sauerstoffreiches Blut in den Körper. Die Venen transportieren sauerstoffarmes Blut zurück in Richtung Herzen. Bei der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) sind die Venen erweitert und die Venenklappen, welche im Normalfall den Rückfluss von venösem Blut verhindern, geschädigt. In der Folge kommt es zu einem Druckanstieg in den Gefässen. Während die feinen Kapillaren bei gesunden Venen vor Druck geschützt sind, werden sie bei CVI ebenfalls vom hohen Druck belastet. In der Folge erweitern und verändern sich die Kapillaren. Es kann mehr Flüssigkeit aus den Gefässen in das Interstitium (Zwischenzellraum) austreten und verursacht Schwellungen. Dabei werden auch Proteine, und rote Blutzellen ausgeschwemmt, die zu Hautverfärbungen und Verhärtungen führen. Der Gasaustausch ist eingeschränkt, die Sauerstoffversorgung des Gewebes nimmt ab (Hypoxie). Die Stadien der CVI sind (nach Widmer):

  • Stadium 1: Reversibles Ödem, das Bein schwillt an, die Schwellung verschwindet beim Abliegen wieder, dunkelblaue Venen werden am Fussrand sichtbar (Corona phlebectatica), Kölbchenvenen im Bereich des Knöchels
  • Stadium 2: Die Schwellungen bleiben auch beim abliegen bestehen (persistierendes Ödem), Hämosiderose, rötliche oder bläuliche Verfärbung der Haut, Verhärtung des Gewebes (Lipo-/Dermatosklerose), Atrophie blanche (helle Narbenherde), Stauungsekzeme
  • Stadium 3: Das Ulcus cruris venosum

Das dritte Stadium der chronischen venösen Insuffizienz ist das Ulcus cruris venosum, also eine chronische offene Wunde. Ohne Behandlung zeigt die Wunde keine Heilungstendenz, resp. vergrössert sich zunehmend. Ursache für das Ulcus sind oft Bagatellverletzungen. Man schlägt mit dem Bein z.B. am Stuhl oder Bettpfosten an und es entsteht eine kleine Wunde oder Schürfung. Die schlechte Versorgungssituation bei CVI führt jedoch dazu, dass die Wunde nicht mehr heilt, sondern immer grösser wird. Fast immer ist die Wunde im untersten Drittel des Unterschenkels zu finden. Sie kann sich jedoch weit ausbreiten und auch rund um den Unterschenkel verlaufen.

Das abgeheilte Ulcus (Ulcus Narbe) wird ebenfalls als Stadium 3 klassifiziert. Manchmal wird auch zwischen Stadium 3a bei abgeheiltem Ulcus und Stadium 3b bei floridem Ulcus unterschieden.

Risikofaktoren

Die chronische venöse Insuffizienz ist einerseits durch erbliche Faktoren begünstig und tritt in gewissen Familien gehäuft auf. Andererseits gibt es Risikofaktoren, welche die Venen zusätzlich belasten und die Entstehung einer chronischen venösen Insuffizienz begünstigen.

  • Tiefe Venenthrombose
  • Vorangegangene Venenentzündungen
  • Weibliches Geschlecht
  • Alter über 45 Jahre
  • Übergewicht, BMI über 25
  • Viele (3 oder mehr) Schwangerschaften
  • Jahrelanges Sitzen oder Stehen im Beruf
  • Arbeitsplatz mit hoher Temperatur (z.B. Köche, Bäcker)

Diagnose

Man könnte vermuten, dass die Diagnose des Ulcus cruris venosum einfach zu stellen ist, schliesslich sieht man die Wunde im Knöchelbereich. In der Tat ist das Ulcus (Geschwür) sehr einfach zu erkennen. Die Ermittlung der auslösenden Krankheit ist aber äusserst anspruchsvoll. Ulcera im Unterschenkelbereich können nämlich verschiedene Ursachen haben. Hier nur ein kurzer Überblick:

  1. Ulcus cruris venosum: Venöses Ulcera sind auf eine chronische venöse Insuffizienz zurückzuführen, wie oben ausführlich beschrieben.
  2. Ulcus cruris arteriosum: Eine gestörte arterielle Durchblutung, wie sie z.B. bei Rauchern auftreten kann, stört die Versorgung des Gewebes mit Nährstoffen und Sauerstoff.
  3. Diabetischer Fuss: Bei Diabetes mellitus ist die arterielle Durchblutung gestört und der Zuckergehalt im Zwischenzellraum erhöht. Diabetiker sind deshalb besonders anfällig auf offene, chronische Wunden.
  4. Ulcus cruris neoplasticum: In seltenen Fällen können auch bösartige Erkrankungen wie das Basaliom (weisser Hautkrebs) für ein offenes Bein verantwortlich sein.
  5. Ulcus cruris mixtum: Nicht immer gibt es nur eine Ursache das Ulcus cruris. Mischformen sind besonders anspruchsvoll zu diagnostizieren.
  6. Artifizielles Ulcus cruris: Gerade ältere und einsame Patienten profitieren oft vom Ulcus, weil es ihnen Kontakt verschafft (täglicher Besuch von Pflegediensten). Hier kann es durchaus vorkommen, dass die Wunde absichtlich herbeigeführt oder erhalten wird.

Das venöse Ulcus tritt mit Abstand am häufigsten auf, je nach Erhebung wird ein Häufigkeit von 57-80% genannt. Dennoch darf man nicht einfach so davon ausgehen, dass es sich in jedem Fall um ein venöses Ulcus handelt. Patienten müssen deshalb unbedingt einen spezialisierten Arzt (Phlebologe, Angiologe, Dermatologe) aufsuchen, der eine umfassende Anamnese erhebt. In einer Dopplersonographie (Doppler-Ultraschall) kann der Arzt ausserdem das Ausmass der Venenschädigung erkennen. Weiter schaut er sich die Wunde und die Beine genau an. Er testet die Beweglichkeit des Sprunggelenks und sucht nach weiteren Hautveränderungen an den Beinen.

Bei infizierten Wunden kann ausserdem ein Abstrich notwendig sein. Bei Verdacht auf Neubildungen ist eine Biopsie angezeigt.

Behandlung

Sobald eine sichere Diagnose gestellt ist, kann die Behandlung des Ulcus cruris venosum beginnen. Der Arzt erstellt ein umfassendes Therapiekonzept. Es muss einerseits die Grunderkrankung behandelt werden, um ein verbessertes Milieu für die Wundheilung zu schaffen. Andererseits muss die Wunde selbst so behandelt werden, dass sie abheilen kann.

Grundbehandlung

Venöse Schwächen werden immer mit Kompression behandelt. Der Druck von aussen hilft die Venenfunktion zu verbessern, die Filtration ins Interstitium zu reduzieren und Schwellungen abzubauen. Folgende Möglichkeiten zur Druckapplikation stehen zur Verfügung:

Kompressionsstrümpfe: Spezielle Ulcus Sets enthalten zwei Unterstrümpfe und einen Überstrumpf. Die Unterstrümpfe werden Tag und Nacht getragen und alle 24h gewechselt. Der Überstrumpf wird immer tagsüber getragen. Kompressionsstrümpfe haben einen kontrollierten Druckverlauf, der an der Fessel am höchsten ist und in Richtung Herzen abnimmt, um den Blutfluss zu begünstigen. Sie sind kostengünstig, für den Patienten einfach selbständig anzuwenden und bieten einen guten Komfort im Alltag. Bei ausgeprägten Schwellungen und speziellen Beinformen müssen die Strümpfe manchmal durch gepolsterte Kompressionsverbände ersetzt werden.

Apparative intermittierende Kompressionstherapie: Die AIK wird ergänzend zur Kompressionstherapie mit Strümpfen (oder Verbänden) angewendet. Dazu wird ein Kompressionsgerät mit einer passenden Manschette mit mehreren Kammern benötigt. Die Manschette wird ums Bein gelegt. Anschliessend pumpt das Gerät die einzelnen Kammern nacheinander auf. Diese aufbauende Druckmassage fördert die Hautdurchblutung, verbessert die Versorgung der Haut mit Sauerstoff, wirkt sich positiv auf die Venenfunktion aus, lindert Schmerzen und reduziert Schwellungen.
Wendet man die apparative intermittierende Kompressionstherapie ergänzend zur konsequenten Therapie mit Strümpfen an, wird die Heilungszeit verkürzt und die Heilungschance steigt. Die AIK wird von der deutschen Gesellschaft für Phlebologie in ihren Leitlinien zur Behandlung des Ulcus cruris venosum deshalb ausdrücklich empfohlen(1).

Leider ist die Therapiemethode unter Schweizer Ärzten noch wenig bekannt, obwohl sie seit Jahrzehnten existiert und wissenschaftlich gut belegt ist.
Dank modernen, kostengünstigen Geräten wäre die AIK für alle Patienten verfügbar und wird auch von der Krankenkasse (Grundversicherung) vergütet. (Mehr zum Thema Verordnung von Kompressionsgeräten)

Das VASOprime wave 4 AIK-Gerät ist sogar speziell für den Privatgebrauch konzipiert. Es ist besonders einfach verständlich, auch für Personen ohne technischen oder medizinischen Kenntnisse. Alle Einstellungen werden auf dem bebilderten Display vorgenommen. Beim Ausschalten des Geräts werden die letzten Einstellungen gespeichert, sodass die gleiche Therapie bei der nächsten Anwendung wiederholt werden kann. Die Manschette lässt sich dank grossen Reisverschluss selbständig an- und ablegen.

Operation: Manchmal wird eine Venenoperation notwendig, um einer weitere Schädigung des Venensystems vorzubeugen und die Durchblutungssituation zu verbessern.

Wundbehandlung

Chronische, nässende Wunden wie das offene Bein, müssen feucht behandelt werden. Das heisst, es werden Wundauflagen eingesetzt, die den Wundgrund feucht halten, überschüssiges Exsudat aber aufnehmen und ein Aufweichen der Wunde (Mazeration) verhindern. Hier stehen hochwertige Produkte zur Verfügung, die an die Heilungsphase angepasst sind, die Reinigung der Wunde unterstützen, Keime abtöten und das Wachstum von neuem Gewebe ermöglichen.

In jedem Fall muss die Wunde vor der ersten Behandlung von einem Arzt untersucht und bei Bedarf gereinigt werden. Er kann auch die richtigen Wundauflagen empfehlen. Verzichten sollte man auf jeden Fall auf Hausmittel. Beliebte Hausmittel wie Murmeltier- oder Kräutersalben, Zucker oder Honig machen die Situation nur noch schlimmer.

Gut zu wissen

Bei der richtigen Behandlung beginnt die Wunde schnell zu heilen. Bis zum vollständigen Wundverschluss kann es dennoch 3-12 Monate gehen. Zeigt die Wunde nach drei Monaten keine Heilungstendenz (Verkleinerung der Wundfläche, Bildung von Granulationsgewebe), ist die Grunderkrankung nicht korrekt diagnostiziert und/ oder die Therapie falsch gewählt/durchgeführt.

Halten Sie sich unbedingt an die Anweisungen des behandelnden Arztes und wenden Sie sich im Zweifelsfall immer an eine spezialisierte Klinik oder Fachabteilung eines Krankenhauses.


(1) Leitlinien (PDF)