Lymphödem bei Krebs

Entwickelt sich bei Krebspatienten ein Lymphödem, so ist viel Durchhaltevermögen gefragt. Der Zeit- und Kraftauwand lohnt sich aber in jedem Fall, denn auch ausgeprägte Schwellungen und Verhärtungen lassen sich meist positiv beeinflussen. Das Lymphödem ist seit hunderten von Jahren bekannt und erforscht, so dass heute zahlreiche Therapiemethoden zur Verfügung stehen. Das aktuelle, mehrstufige Konzept findet bei fast allen Patienten Anwendung und zeigt grosse Erfolge. Ziel der Therapie ist es, die eiweissreiche Flüssigkeit zu reduzieren und den Körper dazu zu bringen, neue Lymphbahnen (Kollateralen) auszubilden, sowie verhärtete Stellen zu erweichen.

Der folgende Bericht soll zeigen, wie eine Behandlung des Lymphödems bei Kreb aussehen kann und worauf bei der Nachbehandlung ein besonderes Augenmerk gilt. Die Therapie soll mit dem behandelnden Arzt geplant werden. Die hier aufgeführten Informationen sollen die wichtigsten Fragen klären, ersetzen aber nicht das ärztliche Gespräch.

Die Enstauungstherapie als Grundpfeiler der Behandlung

Die Basistherapie des Lymphödems besteht aus der komplexen physikalischen Entstauung (KPE) und kommt bei allen Formen des Lymphödems zur Anwendung. Je nach ausprägung des Ödems und Gesamtsituation ist eine ambulante oder stationäre Behandlung möglich – wobei immer häufiger zu Hause therapiert wird. Nur noch bei schwer zu behandelnden Ödemen (mehrere Therapien pro Tag) oder bei schlechtem Allgemeinzustand wird die Einweisung in eine Klinik nötig.

Die Basistherapie erfolgt in zwei bis drei Phasen. In der ersten Phase, der sogenannten Entstauungsphase wird die eingelagerte, eiweissreiche Flüssigkeit dazu gebracht, aus dem Gewebe abzufliessen. Dies geschieht primär durch die manuelle Lymphdrainage (MLD) oder den Einsatz von apparativer intermittierender Kompression, sowie das Anlegen von Kompressionsverbänden.

In der zweiten Phase, auch Konservierungsphase genannt, wird eine Erhaltung des Zustands angestrebt. Medizinische Kompressionsstrümpfe und Bewegungsübungen bilden die Grundlage der Phase 2.

Die manuelle Lymphdrainage

Die manuelle Lymphdrainage sollte nur von speziell ausgebildeten und erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden. Dies gilt für jedes Lymphödem, aber insbesondere für Krebspatienten. Bei der MLD werden die verbleibenden Lymphgefässe angeregt, so dass die Transportkapazität durch eine erhöhte Eigenmotorik gesteigert wird. Zusätzlich wird überschüssige Lymphflüssigkeit in Richtung Kapillare bewegt. Je nach Schweregrad wird die MLD mehrmals wöchentlich bis täglich durchgeführt und anschliessend ein Kompressionsverband angelegt. In vielen Fällen kann die MLD optimal durch apparative intermittierende Kompression ergänzt werden, so dass die Pausen zwischen den Therapieeinheiten grösser werden. Diese Phase dauert zwischen drei und sechs Wochen und sollte erst beendet werden, wenn durch die MLD keine weitere Volumenreduktion erzielt werden kann.

Die manuelle Lymphdrainage ist eine sanfte Massage. Rhythmische, drehende und verschiebende Bewegungen aktivieren die Lymphangiome, Schmerzen sollten dabei nicht auftreten. Ein erfahrender Therapeut erkennt verhärtete Stellen (Fibrose, Sklerose) und lockert diese mit speziellen Griffen.

Kompressionstherapie mit Bandagen und Strümpfen

Da die Druckverhältnisse beim Lymphödem verändert sind, ist eine kontinuierliche Applikation von Kompression notwendig, um das Gleichgewicht in Richung Abfluss zu verschieben. Hierfür kommen sowohl Kompressionsbandagen, wie auch massgeschneiderte Kompressionstextilien zum Einsatz. Der gewählte Druck ist dabei Abhängig vom Stadium des Lymphödems und liegt zwischen 20 und 60mmHg.

Während der Entstauungsphase werden täglich neue Kompressionsverbände angelegt, welche mit weichem Material unterpolstert werden. Da während der Phase I der KPE mit einer grossen Volumenreduktion zu rechnen ist, kann so jederzeit ein optimaler Druck gewährleistet werden: Bandagen können dem abnehmenden Umfang von Armen und Beinen bei Schwellungsrückgang angepasst werden. Sobald keine weitere Volumenreduktion festgestellt werden kann, geht die Therapie in die Phase II über.

Damit die während er Phase I erzielten Behandlungserfolge aufrecht erhalten werden können, muss die Kompressionstherapie weitergeführt werden. Jetzt stehen Kompressionstextilien und insbesondere Kompressionsstrümpfe zur Verfügung, welche über ein ärztliches Rezept in Sanitätshäusern erhältlich sind. Zur Verfügung stehen Handschuhe und Armstrümpfe bei Armlymphödem oder Socken, Kniestrümpfe, Oberschenkelstrümpfe oder Strumpfhosen beim Lymphödem der Beine oder Füsse.

Die tägliche Tragedauer ist abhängig vom Ausmass des Lymphödems. Oft kann die Kompressionskleidung nachts ausgezogen werden. Klären Sie mit dem behandelnden Arzt, was für Ihre Situation optimal ist – es gibt auch Ödeme, die in der Nacht nachlaufen!

Die apparative intermittierende Kompression findet auch in der zweiten Phase der KPE Anwendung und kann ergänzend zur Versorgung mit Strümpfen eingesetzt werden. Die MLD-Intervalle können so verlängert werden, was für Betroffene mehr Freiheit und Selbstständigkeit bedeutet.

Bewegungsübungen und Atemtherapie

Bewegung ist ein zentrales Thema in der Behandlung des Lymphödems. Ein Physiotherapeut wird Ihnen Übungen zeigen, die Sie in regelmässigen Abständen selbst durchführen können. Zu Beginn sollen die Übungen unter Kontrolle durchgeführt werden, später auch selbst. Bewegngsübungen wirken sich nicht nur auf das Ödem aus, sondern auf den gesamten Körper: Fehlhaltungen, Schmerzen oder Verspannungen durch starke Schwellungen oder Schmerzen können reduziert oder gar verhindert werden

Wann sollte die Entstauungstherapie nicht durchgeführt werden

Es gibt einige Situaitonen, in denen die physikalische Entstauungstherapie nicht angewendet werden soll.

  • Infektionen und Entzündungen der Haut.
  • Venenentzündungen oder Thrombosen.
  • Herzinsuffizienz.
  • Peripher arterielle Verschlusskrankheit.

Andere Situationen erlauben zwar eine KPE, jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht, so z.B.:

  • Diabetes mellitus.
  • Chronisch venöse Insuffizienz mit offenen Hautstellen.
  • Rheumatische Erkrankungen.

Tumorausbreitung durch Massagen?

Obwohl eine Beeinflussung des Tumors durch mechanische Belastung (Lymphdrainage, Massage) zwar denkbar ist, konnten bisher keine Nachweise erbracht werden. Die wahrscheinlichkeit einer Tumoraktivierung durch Massagen ist also eher unwahrscheinlich.

Eine Ausnahme bilden Tumore im Kopf-Hals-Bereich, wo unklar ist, ob eine Lymphdrainage das Risiko von Metastasen erhöht. Gerade Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren leiden jedoch häufig an starken Schwellungen im Gesicht, welche sich ohne Drainage nicht zurückbilden. Aus diesem Grund muss jeder Fall einzeln mit den Betroffenen geklärt werden, um eine Nutzen-Risiko-Abwägung zu treffen.

Für alle anderen Tumorarten ist kein Zusammenhang zwischen Massage, Lymphdrainage und Metastasierung bekannt.