Das Lipödem

Fett gehört neben Zucker und Eiweiss zu den drei Grundnähstoffen des Menschen. Es ist Bestandteil der Zellen, dient als Energielieferant und –Speicher, isoliert gegen Kälte und löst fettlösliche Vitamine. Fett wird über die Nahrung aufgenommen oder vom Körper aus Kohlenhydraten oder Proteinen hergestellt und als Energiespeicher gelagert. Das Fettgewebe ist überall am Körper verteilt. Bei einer Gewichtszunahme nehmen die Umfänge normalerweise überall am Körper zu, wobei es die typischen „Problemzonen“ am Bauch, Beinen und Po gibt, wo sich tendenziell mehr Fett einlagert. Bei einer Gewichtsabnahme werden die Umfangmasse in allen Körperregionen reduziert.

Anders verhält es sich bei einem Lipödem. Es handelt sich um eine übermässige Vermehrung des Unterhautfettgewebes die typischerweise zuerst an den Oberschenkeln auftritt. Im Anfangsstadium ist eine symmetrische Vermehrung von Fettgewebe an den Oberschenkeln und allenfalls am Po zu beobachten. Im Verlauf sind dann auch die Unterschenkel, bei manchen Patientinnen sind später auch die Arme betroffen. Abhängig von der Lokalisation des Ödems werden fünf Typen unterschieden.

  • Typ 1 – Hüfte
  • Typ 2 – Hüfte und Oberschenkel
  • Typ 3 – Hüfte, Ober- und Unterschenkel
  • Typ 4 – Arme
  • Typ 5 – Unterschenkel

Die Progression des Lipödems wird in Stadien eingeteilt. Im Stadium 1 ist die Hautoberfläche im beriech des Ödems noch relativ glatt. Einzig kleine Knoten sind tast- oder sichtbar. Man spricht von Orangenhaut. Die Vermehrung des Fettgewebes ist zwar deutlich sichtbar, aber noch nicht extrem.

Ist die Hautoberfläche grobknotig und weist grosse Dellen auf, handelt es sich um ein Lipödem im Stadium 2.

Im Stadium 3 ist die Haut hart und knotig. Die Beine sind durch wammenartige Fettlappen deformiert die sich üblicherweise an der Innenseite der Beine befinden.

Diagnose

Zur Diagnose des Lipödems erstellt der Arzt als erstes die Anamnese. Ein Lipödem tritt erst nach der Pubertät, normalerweise zwischen dem 20. Und 40. Lebensjahr und fast ausschliesslich bei Frauen auf. In ca. der Hälfte der Fälle sind weitere weibliche Familienmitglieder von der Erkrankung betroffen. Eine Neigung zu Hämatomen (blauen Flecken) schon bei geringer Berührung ist ebenfalls ein Indiz für eine Lipödem. Ausserdem ist die Schwellung sehr schmerzempfindlich, schon ein leichter Druck reicht um Schmerzen auszulösen.

Zwar lässt sich das Lipödem in Laboruntersuchungen nicht nachweisen, aber es lassen sich andere Krankheitsbilder, die dem Lipödem gleichen ausschliessen. Eine weitere differentialdiagnostische Massnahme ist die Überprüfung des Stemmer’schen Zeichens. Ist es positiv handelt es sich um ein Lymph- und nicht um ein Lipödem.

Weiter ist eine gestörte Körperproportion zu beobachten. Während der Oberkörper schlank bis dünn ist, sind Gesäss und Beine unproportional gross.

Wassereinlagerung im Fettgewebe

Im Bereich des Lipödems ist die Durchlässigkeit der Blutkapillaren erhöht, wodurch mehr Flüssigkeit ins Gewebe gelangt. Die Lymphgefässe sind von den vermehrten Fettzellen oft in Ihrer Funktion gehindert und können die Flüssigkeit nur noch unzureichend abtransportieren. Die Folge ist ein eiweissreiches Ödem, das für die Druckempfindlichkeit der betroffenen Körperregion verantwortlich ist. Mit den Jahren führt das Eiweiss im Gewebe zu Verhärtungen (Fibrosen), die als Knoten spür- und sichtbar sind. Bleibt das Lipödem unbehandelt bildet sich aufgrund des überlasteten Lymphsystems häufig ein sekundäres Lymphödem aus. Bei der Therapie wird deshalb in erster Linie auf eine Drainage der interstitiellen Flüssigkeit Wert gelegt.

Therapie

Bei der Therapie des Lipödems wird der Schwerpunkt auf die Stabilisierung oder Reduzierung des Körpergewichts und die Drainage des Wassers aus dem Gewebe gelegt.
Das Lipödem ist weitgehend diätresistent. Es muss sogar von kurzfristigen Abmagerungskuren abgeraten werden da das Fettgewebe an den Beinen nicht abgebaut, bei einer erneuten Gewichtszunahme aber noch vermehrt wird. Um diesen Effekt zu vermeiden ist es wichtig das Gewicht zu halten oder durch gesunde Ernährung und regelmässigen Sport allenfalls langsam und nachhaltig zu reduzieren.

Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Drainage der Flüssigkeit aus dem Gewebe. Dadurch kann eine Reduktion des Volumens erreicht werden und die Überempfindlichkeit gegenüber Berührung und Druck nimmt ab. Zu diesem Zweck wird die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) eingesetzt, wie sie beim Lymphödem angewendet wird. Die KPE erfolgt in zwei Phasen und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. In der ersten Phase wird eine Verringerung des Beinvolumens angestrebt, während in der zweiten Phase der entstaute Zustand erhalten wird.

Manuelle Lymphdrainage (MLD)

Durch eine sanfte Massage wird Flüssigkeit in den Bereich von Lymphgefässen mit ausreichender Kapazität verschoben. Die Aktivität des Lymphsystems wird angeregt. Die MLD wird in der ersten Phase der Behandlung mehrmals wöchentlich bis mehrmals täglich angewendet. Mehr über die manuelle Lymphdrainage.

Apparative intermittierende Kompression (AIK)

An einem Kompressionsgerät (VASOprime wave 4) wird eine Manschette angeschlossen, welche durch aufpumpen Kompression auf das Bein ausübt. Die Druckstärke kann individuell gewählt werden und sollte zusammen mit dem behandelnden Arzt erarbeitet werden. Der Effekt ist gleich wie bei der MLD. Das Wasser wird aus dem Gewebe in Richtung Lymphkapillaren und in gut funktionierende Teile des Lymphsystems geleitet. In der ersten Phase wird die apparative intermittierende Kompression von Spezialkliniken standardmässig eingesetzt. Abhängig vom Ausmass der Schwellung kann die AIK in der zweiten Behandlungsphase als Alternative oder Ergänzung zur MLD eingesetzt werden. Das VASOprime wave 4 ist für den persönlichen Gebrauch zu Hause bestimmt und bietet Patientinnen mehr Freiheit und Selbstbestimmung in der Therapie des Lipödems.

Kompressionstherapie

Nach der manuellen Lymphdrainage oder apparativen intermittierenden Kompressionstherapie werden Kompressionsverbände (1.Phase) oder flachgestrickte Kompressionsstrümpfe (2. Phase) eingesetzt. Der konstante Druck auf das Bein erhält das reduzierte Beinvolumen.

Hautpflege

In der ersten Phase der komplexen physikalischen Entstauungstherapie werden Patientinnen in der korrekten Hautpflege instruiert. Dadurch sollen Hautveränderungen und schwer abheilende Wunden vermieden werden, denn die eiweissreiche Flüssigkeitsansammlung im Gewebe begünstigt Hautprobleme und erhöht das Infektionsrisiko.

Bewegungstherapie

Regelmässige Bewegung ist für Lipödempatientinnen unerlässlich. Spezielle Bewegungsübungen, die in der ersten Phase der KPE durch eine Physiotherapeutin instruiert werden, wirken entstauend und sollten mehrmals täglich ausgeführt werden.

In den letzten Jahren hat sich bei der Behandlung des Lipödems die Anwendung von Liposuktion durchgesetzt. Während früher bei der Liposuktion häufig Schäden an den Lymphgefässen entstanden sind und es nach der OP zu einer Verschlechterung der Situation gekommen ist, kann dieses Risiko mit der neuen wet technique nicht mehr nachgewiesen werden. In neuen Untersuchungen konnte ausserdem bestätigt werden, dass sich das Fettgewebe auch 8 Jahren nicht wieder nachgewachsen ist. 25% der Patientinnen waren nicht weiter auf die KPE angewiesen. 41% konnten die konservativen Massanahmen reduzieren. Bei den restlichen Patientinnen musste die KPE unverändert weitergeführt werden. Die Patientinnen gaben trotzdem eine Verbesserung Ihrer Lebensqualität und eine deutliche Verbesserung der Körperform und der Beschwerden an.