Mythen und Fakten rund um das Lymphödem

Das Lymphödem ist eine relativ häufige, chronische Erkrankung. Dennoch ranken sich viele Mythen und Halbwahrheiten um die Krankheit und ihre Behandlung. Wir haben für Sie ein paar gängige Irrglauben unter die Lupe genommen und die wichtigsten Fakten dazu zusammengestellt.

Mythos

Entwässernde Medikamente helfen gegen Lymphödem.

Fakten

Diuretika können durchaus zu einer Abnahme des Ödemvolumens beitragen. Dennoch sind sie in den allermeisten Fällen kontraindiziert. Die Medikamente bewirken lediglich den Abtransport von Wassern. Proteine, welche ebenfalls zur lymphpflichtigen Last gehören, werden durch die entwässernden Medikamente nicht ausgeschwemmt. Langfristige Anwendung von Diuretika fördert also Ablagerungen im Gewebe und damit die Entstehung von Verhärtungen.

Mythos

Mit einer Operation lässt sich das Lymphödem heilen.

Fakten

Eine Operation bei Lymphödem macht oft wenig Sinn

Eine OP bei Lymphödem muss gründlich durchdacht werden!

Verschiedene Chirurgen haben Operationen an Lymphödempatienten durchgeführt. Manche haben körpereigene Lymphgefässe verpflanzt, andere haben ganze Bündel an Lymphknoten transplantiert. Die Knoten werden zusammen mit dem umliegenden Fettgewebe entnommen und wieder eingesetzt. Das umliegende Gewebe hat die Fähigkeit neue Lymphgefässe zu bilden, die ins ödematöse Gewebe einsprossen. Ca. 40 % der Betroffenen können damit vollständig geheilt werden (1). Bei den andern Patienten kommt es zu einer leichten oder gar keiner Verbesserung der Situation. Wahrscheinlich weil die Blutgefässe des Transplantats nicht richtig zusammengewachsen sind. Da die Operationen grosse Narben hinterlassen und eben nicht immer erfolgreich sind, darf die Entscheidung dazu nicht leichtfertig gefällt werden. In jedem Fall sollte die Operation von einem erfahrenen Arzt durchgeführt werden, der auch die Risiken nicht verschweigt. Die Kapazität des Lymphsystems am Entnahmeort muss vor dem Eingriff als ausreichend beurteilt werden, damit es an dieser Stelle nicht ebenfalls zu einer Schwellung kommt.

Mythos

Die Lymphdrainage bringt nichts, weil das Bein/der Arm danach wieder anschwillt.

Fakten

Das Lymphödem ist eine chronische Krankheit. Die Behandlung mit Lymphdrainage hat nicht zum Ziel die Schwellung zu heilen. Durch die regelmässige apparative und manuelle Lymphdrainage wird probiert, so viel Wasser wie möglich aus dem Ödem zu leiten. Dabei wird auch die Aktivität der Lymphgefässe angeregt. So kann der Abtransport der gesamten lymphpflichtigen Last begünstigt werden, also auch von Proteinen. Gewebeneubildungen und damit die Verhärtung des Ödems lassen sich so vorbeugen. Direkt nach der Lymphdrainage muss ein Kompressionsstrumpf angezogen, oder die Extremität mit einem Kompressionsverband versorgt werden. Nur so kann das erneute Anschwellen verhindert werden. Hier erfahren Sie mehr zum Behandlungskonzept bei Lymphödem: Die Behandlung des Lymphstaus

Mythos

Beim Lymphödem ist das Lymphsystem undicht und kann mit geeigneten Präparaten abgedichtet werden.

Fakten

Präparate und Medikamente bei Lymphödem

Präparate können das Lymphsystem nicht “abdichten”.

Aus den Blutgefässen tritt konstant Flüssigkeit in den Zwischenzellraum aus, um alle Zellen mit Nährstoffen zu versorgen. Einen Grossteil der Flüssigkeit wird von den Blutgefässen wieder aufgenommen, der Rest wird zusammen mit grossen Molekülen, wie z.B. Proteinen, vom Lymphsystem aufgenommen (diese Flüssigkeit wird auch als lymphpflichtige Last bezeichnet). Die Lymphgefässe enden blind im Gewebe und nehmen das Gewebewasser durch eine Öffnung auf (Lymphbildung).

Eine Abdichtung des Lymphsystems ist also nicht nur unmöglich, sondern würde auch den unerwünschten Effekt haben, dass keine Flüssigkeit mehr aufgenommen werden kann.

Mythos

Das Lymphödem hat eine tiefergreifende Ursache.

Fakten

Naturheiler, Esoteriker und Praktiker anderer alternativen Heilmethoden sprechen oft von einer tiefergreifenden Ursache des Lymphödems. Die Betroffenen könnten „nicht loslassen“ oder ähnliches. An dieser Stelle muss deutlich gesagt werden, dass niemand eine Schuld an seinem Lymphödem trägt. Es gibt lediglich zwei möglich Ursachen für ein Lymphödem.

  1. Angeborene Unterkapazität des Lymphsystems – primäres Lymphödem: Bei manchen Menschen sind die Lymphknoten oder Lymphgefässe nicht in ausreichender Menge ausgebildet oder weisen Veränderungen auf. Das Lymphödem kann in diesen Fällen bereits ab der Geburt auftreten, in vielen Fällen zeigt es sich aber erst in der Pubertät.
  2. Erworbene Schädigung des Lymphsystems – sekundäres Lymphödem: Bei Unfällen und Operationen können Lymphgefässe durchtrennt werden. Bei Krebserkrankungen muss man oft auch Lymphknoten entfernen, das begünstigt die Entstehung eines Lymphödems. Entzündungen oder Infektionen können ebenfalls zu einem Lymphödem führen. Die Schwellung muss allerdings nicht direkt nach dem Ereignis auftreten, sondern kann auch verzögert kommen, sodass der Zusammenhang in einigen Fällen nicht mehr hergestellt werden kann.

Weil das Lymphödem nicht immer sofort nach dem auslösenden Ereignis sichtbar wird, scheint es für die Betroffenen „aus dem Nichts“ zu kommen. Das wirft bei den Betroffenen viele Fragen nach dem Warum auf. Diese Verzweiflung von chronisch Kranken wird leider immer wieder von „Heilern“ ausgenutzt.

Das Lymphödem


(1) Lymphe & Gesunheit: Reparatur des Lymphödems; Hrsg. Verein zur Förderung der Lymphoedemtherapie e.V., Ausgabe 1/2013