Die apparative intermittierende Kompression (AIK) ist in der Schweiz noch wenig verbreitet, obwohl die Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist und die Therapie den Patienten viel Freiheit schenkt. Ein Grund dafür ist, dass Lymphdrainage-Therapeuten Ihren Patienten von der AIK abraten, aus Angst um die eigene Arbeitsstelle. Dabei könnte das Leben von manchem Patient stark erleichtert werden. Wer sich für diese Therapieform interessiert, sollte sich deshalb unbedingt an den behandelnden Arzt wenden. Im folgenden erfahren Sie mehr über die Wirkungsweise der apparativen intermittierenden Kompression und die verschiedenen Anwendungsgebiete.
Lymphatische Erkrankungen traten schon vor hunderten von Jahren auf und bereits zu Zeiten von Hippokrates wurden diese mit Kompression behandelt. Selbstverständlich nicht mit Kompressionsgeräten, aber mit Kompressionsverbänden. Bereits in den 1830er Jahren wird die apparative intermittierende Kompression von Muray und Clany beschrieben. 1874, als der Kautschuk entdeckt und verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten dafür bekannt waren, konnte auch die Herstellung von Gummistrümpfen, den Vorläufern der heutigen Kompressionsstrümpfen, in Angriff genommen werden. Gleichzeitig wurden immer wieder unterschiedliche Saug- und Treibpumpen angewendet. Diese von Hand betriebenen Pumpen erreichten eine Druckveränderung am Bein durch auf- und abpumpen von Glaszylindern, oder ersten Manschetten, welche um das Bein gelegt wurden.
In andern Versuchen wiederum wurde die zu Behandelnde Extremität in einen mit Quecksilber gefüllten Metallzylinder eingetaucht, wodurch der Druck auf die Extremität erhöht wird. Der deutsche Ingenieur Conrad Jobst wanderte in jungen Jahren nach Amerika aus, wo er in den 1950er Jahren einen mit Wasser gefüllten, doppelwandigen Strumpf erfand und später ein Gerät zur apparativen Kompression entwickelte. Zu dieser Zeit handelte es sich immer um Systeme mit nur einer Luftkammer. Teilweise waren die Geräte zur apparativen Kompression riesig und machen aus heutiger Sicht einen recht abenteuerlichen Eindruck. Bereits 1955 wurden die ersten Mehrkammer-Systeme entwickelt, welche bis heute als Standard in der Lymphödemtherapie gelten. 1981 kam das erste seriengefertigte AIK-Gerät auf den Markt. Bis heute wurden immer neue Geräte entwickelt.
Die apparative intermittierende Kompressions (AIK) ist auch unter dem Begriff intermittierende pneumatische Kompression (IPK) oder in der englischen Schreibweise als intermittent pneumatic compression (IPC) bekannt. Zur AIK-Therapie wird eine zweilagige Manschette mit einer oder mehreren Luftkammern angelegt. Das daran angeschlossene Gerät ist mit einem Kompressor ausgestattet, welche die Luftkammern nacheinander aufpumpt und nach einer vordefinierten Zeit wieder entleert. Beim aufpumpen der Manschette kommt es zu einem Druckaufbau im Gewebe und zu einer Beschleunigung des venösen Durchflusses. Interstitielle Flüssigkeit wird aus den Extremitäten bewegt.
Geräte und Manschetten zur apparativen intermittierenden Kompression können sich in folgenden Merkmalen unterscheiden:
Die Wirkung von apparativer intermittierender Kompression wurde in zahlreichen Studien untersucht. Die allermeisten Studien kamen zum Ergebnis, dass sich das Ödemvolumen durch die apparative intermittierende Kompression reduzieren lässt. Wenn zwischen den AIK Anwendungen ein Kompressionsstrumpf getragen wird, scheint die Therapie am wirkungsvollsten zu sein. Beim Vergleich von Ein- und Mehrkammersystemen zeigte sich mit den Mehrkammersystemen eine bessere Wirkung bei der Behandlung von Lymphödemen.
Johansson (1998) untersuchte den Unterschied zwischen apparativer intermittierende Kompression und manueller Lymphdrainage. Beide Methoden konnten eine signifikante Reduktion des Armvolumens bei einem Armlymphödem erreichen, der Unterschied zwischen den beiden Methoden war hingegen nicht signifikant.
MLD oder AIK: In der Schweiz und im umliegenden Ausland wird die apparative intermittierende Kompression immer zusammen mit manueller Lymphdrainage verschrieben. Das heisst, es werden nur einige, aber nicht alle MLD Sitzungen durch die apparative intermittierende Kompression ersetzt.
Ein Grund dafür ist, dass bei der AIK viel Wasser aus dem Gewebe abtransportiert wird, aber nur wenig Proteine. Grosse Proteinansammlungen in Gewebe können zu Fibrosen führen und begünstigen die Entstehung von Hautschäden. In einer prospektiven Studie von Miranda et. al. (2001) wurde untersucht, ob Eiweisse durch die AIK aus dem interstitiellen Raum abtransportiert werden oder nicht. Und tatsächlich werden nur wenige Proteine abtransportiert. Die Studie wurde allerdings nach einer einmaligen Anwendung der AIK gemacht. Langzeituntersuchungen dazu gibt es nicht.
Für die manuelle Lymphdrainage wurde keine vergleichbare Untersuchung durchgeführt. Der Beweis, dass manuelle Lymphdrainage mehr Proteine aus dem interstitiellen Raum bewegt als die AIK ist also nicht erbracht und weitere Untersuchungen sind nötig.
Lungenembolien, welche aus tiefen Beinvenenthrombosen entstehen sind eine häufige Todesursache. Das Risiko für eine Thrombose ist während Spitalaufenthalten besonders hoch. Frakturen langer Knochen, Knie- und Hüftprothesenoperationen, sowie Bauchoperationen und gynäkologische Eingriffe erhöhen das Thromboserisiko zusätzlich. Der grösste Risikofaktor stellt wohl die Immobilisation während der Hospitalisierung dar. Die Wadenmuskelpumpe, welche für den venösen Blutfluss eine entscheidende Rolle spielt, wird durch Bettlägerigkeit ausgeschaltet. Der verlangsamte Blutfluss begünstigt die Ansammlung von gerinnungsfördernden Stoffen in den Gefässen, welche wiederum eine Thrombose begünstigen. Während der Operation selbst, wird das Thromboserisiko auch durch den Wegfall der normalen Muskelspannung erhöht. Auch die Spannung der Gefässmuskeln lässt nach (Vasodilatation), die Innenwand des Gefässes wird geschädigt (endotheliale Läsionen). An der geschädigten Gefässwand können sich gerinnungsfördernde Faktoren ansammeln. Das Risiko von Thrombosen während Operationen und Spitalaufenthalten ist seit langem bekannt, weshalb nach Operationen standardmässig Heparin gespitzt wird. Thromboseprophylaxe-Strümpfe (AES) werden während der Operation und teilweise auch danach angelegt.
Die apparative intermittierende Kompression wird in gewissen Kliniken während der Operation angewendet. Die aufbauende Kompression presst das Blut schnell aus den Beinvenen. Thromben entstehen häufig in den Taschen der Venenklappen. Der geringe Blutfluss während der Operation vermag die Ansammlung von Gerinnungsfaktoren hinter den Venenklappen nicht zu vermeiden. Der unter der AIK beschleunigte Blutfluss hingegen verursacht turbulente Strömungen, welche die Akkumulation von Leukozyten und Gerinnungsfaktoren in den Taschen der Venenklappen effektiv verhindert.
Die chronische venöse Insuffizienz oder chronische Veneninsuffizienz tritt häufig im Rahmen des postthrombotischen Syndroms oder bei ausgeprägter Varikose (Krampfadernerkrankung) auf. Bei der CVI ist der Druck in den Venen beim Stehen erhöht, was zu einem verminderten Abfluss von venösem Blut führt. Durch die erweiterten Blutgefässe tritt Flüssigkeit ins Gewebe aus, es kommt zu einer Schwellung des Knöchels (Phlebödem). Im weiteren Verlauf treten Hautveränderungen (CEAP Stadium 4) und Ulzerationen (CEAP Stadium 5+6) auf. Die Therapie der CVI setzt sich aus mehreren Anwendungen zusammen. Beim Ruhen sollten die Beine hochgelagert werden, dazwischen muss die Muskelpumpe durch Gehen, Schwimmen oder Gymnastik angeregt werden. Medizinische Kompressionsstrümpfe werden während dem ganzen Tag getragen und verstärken die Wirkung der Muskelpumpe bei Aktivität.
Die AIK Therapie findet bei der Behandlung der chronischen venösen Insuffizienz in mehreren Stadien Anwendung. Der Druck kann das Phlebödem stark reduzieren, was besonders vor Venenoperationen oder vor dem Anmessen von Kompressionsstrümpfen sinnvoll ist. Manche Patienten akzeptieren die Kompressionstherapie mit Strümpfen nicht gut, deshalb kann die AIK beispielsweise bei Betagten auch eine Alternative zur klassischen Kompressionstherapie mit Strümpfen darstellen.
Das Ulcus cruris venosum wird durch die chronische venöse Insuffizienz verursacht. Es handelt sich um eine Wunde, die nicht mehr selbständig abheilen kann und umgangssprachlich auch offenes Bein oder Beingeschwür genannt wird. Dem venösen Ulcus geht immer eine lange bestehende CVI voraus. Durch die Insuffizienz der Venenklappen werden vermehrt Wasser und Proteine in den interstitiellen Raum abgegeben, es entsteht ein Phlebödem. Durch die Zunahme der lymphpflichtigen Last und die ständig vom Lymphsystem geforderte Maximalleistung kann sich auch ein sekundäres Lymphödem ausbilden. Im Zwischenzellraum entstehen Entzündungen, die letztendlich zu der offenen Wunde am Unterschenkel führen.
Die Therapie des offenen Beins besteht einerseits aus Wundreinigung und Wundpflege, andererseits aus einer Kompressionstherapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen der Klasse 3. Im Alltag kommt die apparative intermittierende Kompression noch selten zur Anwendung, obwohl ihre gute Wirksamkeit wissenschaftliche bewiesen ist.
Viele Studien zur Wirksamkeit der AIK Behandlung bei Ulcus liegen schon 20 Jahre zurück und wurden mit Einkammersystemen durchgeführt. Trotz dieser aus heutiger Sicht nicht optimalen AIK-Geräten konnte ein positiver Effekt auf die Wundheilung bei Ulcus, die Heilungsdauer und die Blutzirkulation nachgewiesen werden. Etwas neuere Untersuchungen zeigen aber, dass Mehrkammersysteme noch bessere Ergebnisse bringen als Einkammersysteme.
Die apparative intermittierende Kompression kann die Wundheilung bei Ulcus cruris beschleunigen, dafür ist es aber notwendig, dass die AIK im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzepts angewendet wird. Denn bei allen Studien, welche den Vorteil von AIK in der Ulcus Therapie aufzeigten, wurden die Patienten zwischen den AIK mit Kompressionsstrümpfen, Kompressions- oder Zinkleimverbänden behandelt.
Nach den Standards von Mulder und Reis (1990) ist bereits ein Fesseldruck von 45-60 mmHg für eine erfolgreiche Ulcus Therapie ausreichend. Der Druck muss reduziert werden, wenn er beim Patienten schmerzen auslöst und kann nötigenfalls soweit erhöht werden wie es vom Patienten vertragen wird.
Im Vergleich von alleiniger AIK-Therapie gegen alleinige Therapie mit phlebologischen Kompressionsverbänden war die Therapie mit den Verbänden wirkungsvoller.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die apparative intermittierende Kompressionstherapie bei venösen Ulcera die optimale Ergänzung zur Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen und zur Wundpflege ist, da die Heilungschancen verbessert und die Heilungszeit verkürzt wird. Alleine angewendet ist die AIK weniger wirkungsvoll, die alleinige AIK darf nur bei Patienten in Betracht gezogen werden, die keine Kompressionsstrümpfe tragen können.
Beim Ulcus ist die Rezidivrate sehr hoch. Viele Patienten erkranken im ersten Jahr nach abheilen der Wunde erneut an einem Ulcus. Das konsequente Tragen von Kompressionsstrümpfen auch nach der Heilung ist zum Vorbeugen eines Rezidivs deshalb unbedingt notwendig. Auch die apparative intermittierende Kompression sollte über das Abheilen hinaus durchgeführt werden, da sie eine effektive Therapiemassnahme darstellt. Weitere Informationen zum Ulcus cruris.
Werden die Kontraindikationen eingehalten und die AIK Therapie immer in einem für den Patienten schmerzfreien, erträglichen Druckbereich mit einem modernen AIK-Gerät und nach Vorgaben des behandelnden Arztes durchgeführt, sind keine unerwünschten Nebenwirkungen bekannt.
Gelegentlich wird über die Entstehung von Genitallymphödemen in Zusammenhang mit der Verwendung von AIK-Geräten berichtet. Wie Untersuchungen gezeigt haben, wird das Genitalödem nur bei der Anwendung von Hosenmanschetten begünstigt. Wird eine Beinmanschette oder Zweibeinmanschette verwendet ist im Allgemeinen kein Genitalödem zu befürchten.
Bei einem Lymph- oder Lipödem stellt die komplexe physikalische Entstauungstherapie die einzige wirkungsvolle Therapie dar und ist der Standard in der Behandlung dieser Erkrankungen. Die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) besteht aus mehreren unterschiedlichen Anwendungen und zwei Phasen (Entstauung, Erhaltung). Durch manuelle Lymphdrainage und AIK Anwendungen wird eine Entstauung des ödematösen Bereichs erreicht. Direkt anschliessend wird das Bein oder der Arm mit Kompression versorgt. Üblicherweise wird in der ersten Phase der KPE ein lymphologischer Kompressionsverband angelegt. Der aus Polstermaterial (Watte oder Schaumstoffbinden) und mehreren elastischen Binden bestehende Verband wird Tag und Nacht anbehalten und bei der nächsten MLD-Sitzung gewechselt. In der Erhaltungsphase, also wenn das Ödem maximal entstaut ist, wird die manuelle Lymphdrainage und apparative intermittierende Kompression oft reduziert. Im Alltag werden medizinische (flachgestrickte) Kompressionsstrümpfe getragen, die auch während der AIK anbehalten werden können. Zur KPE gehören auch eine gute Hautpflege und regelmässige entstauende Bewegungsübungen.
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